Renovierung der Protzaner Kirche 1865

Folgender Text aus dem Jahr 1865 fand sich vor einigen Jahren in der Kirchturmspitze:

Pro Memoria

Remedur: veraltet Abhilfe  

Es ist ein alter Brauch, wenn eine Kirchturmspitze repariert
worden und der Knopf wieder aufgesetzt werden soll, in den-
selben einige Nachrichten über den Bau und auch noch sonst des
Aufbewahrens für die Nachwelt werth erscheinenden Nachrichten nieder-
zulegen. Diesem Brauch will der derzeitige Pfarrer Rechnung
tragen und folgende Nachrichten der Zukunft hiermit überliefern.
Nachdem, wie in einer früheren, ebenfalls im Thurmknopf vor-
gefundenen Nachricht hervorgeht, am 24 ten May 1813 die durch
Sturm beschädigte Kirchthurmspitze wieder hergestellt und der
Knopf aufgesetzt worden, hat derselb Thurm Außer einem
neuen grauen Anstrich keine Remedur mehr erfahren bis zum Jahre
1842 in welchem der unterste Bletterboden … erneuern und
2 Hauptsäulen mir Seiten Stücken versehen wurden, von denen
eine Verstärkung wegen schadhaften Zustandes durchaus
nothwendig war. Übrigens war das ganze Holzwerk
so von Fäulniß angegriffen, daß eine Erneuerung desselben
nur eine Frage der Zeit war.

Im Februar 1865 drückte ein heftiger Sturm die wegen Fäulniß
des Kaiserteils ..? schon seit den dreissiger Jahren
schiefstehende eiserne Spille mit Knopf, Fahne und Kreuz
so herab, daß sie an dem unter Knopf befindlichen
Theile des Kaiserteils ..? anlag und der Knopf dadurch
auf der einen Seite eingedrückt wurde.

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F vom dem
Klempnermeister
Paschaly zu
Frankenstein  

In Folge dessen wurden die betreffenden Anträge an die
Königliche Regierung gestellt, und dem kgl. Departements
Bauinspector Herrn Elsaer ..? aus Glatz der Anschlag gefertigt
und nach dem endlich von dem betreffenden königl. Ministerium
derselbe genehmigt und alle weiteren Schwierigkeiten
beseitigt waren, der ganze alte Oberthurm in des untersten
Str..gebälkes im Juni 1865 abgetragen und unter Aufsicht des derzeitigen
Kgl. Bauinspectors Herrn Mayschel..? der Neubau von
dem Zimmermann Herrn Glatzer aus Frankenstein
durch die Poliere Koblitz? Und Hilbig aus erst. Kunzendorf und
Habendorf nebst nöthigen Zimmergesellen ausgeführt.

An dem gemauerten Theile des Thurms wurde auch das
Gesims hergestellt und anderweitige Reparatur desselben.
Der Thurm wurde nun mit Zinkblech  F eingedeckt auch
soll heut der neu hergestellte Knopf von Kupfer, die aus
Kupfer gefertigte alte Fahne mit Balancioner..? versehen und
Ein neu gefertigte kupfernes Kreuz, sämmtliche P..?
von dem Gürtlermeister und Ciseleur Herrn Strobel
aus Frankenstein im Feuer vergoldet (die Kupfer-
arbeit von dem Kupferschmiedemeister Herrn Conrath
gefertigt) wieder auf den Thurm gebracht worden.

Der Thurm hat im Mauerwerk eine Höhe von 81 Fuß.[i]

Im Holzwerk bis auf die obere Knopf- oder Kugelschl..?
79‘2“, die darüber stehenden Parthie, Fahne und Kreuz 10 ? Fuß

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Im Ganzen hat also der Thurm eine Höhe von 170 Fuß.
Wolle Gott gnädigst verleihen, daß wie bisher bei diesem
Bau kein Unglück zugetragen, auch dieses Werk glücklich
vollendet werde und dem Bau eine längere Dauer
als in früher – 165 Jahren beschieden werde.
Bemerkt mag noch werden, daß zur Zeit dieses Baues
Oberhaupt der Breslauer Diozöse der Hochwürdigste Herr
Dr. Heinrich Foerster, Fürstbischof vor Breslau ist und
der gegenwärtige Pfarrer Gotthard Müller, gebürtig
aus Wisau, Neißer Kreieses, seit 1836 Pfarrer allhier
Kirchenvorsteher der Bauerngutsbesitzer Amand Schneider
und Stellenbesitzer Joseph Feller; Kapellan H: Carl
Brieschwitz aus Gostitz[ii] bei Patschkau, hier angestellt
seit Anfang 1859.

Die Aufstellung des Knopfes gab der hiesigen Gemeinde
den Wunsch ein, dieselbe mit einer gewissen Feierlichkeit
zu begehen und es bildete sich ein Comitee zur Ausführung
dieses Wunsches. Damit sich dabei die Gemeinde
Olbersdorf betheiligen könne, erließ das Comitee an dieselbige
unter der Adresse des Dorfgerichts eine sehr höfliche Einladung zum
Beitritt, das jenseitige Ortsgericht hat sich aber nicht ver-
anlaßt gesehen dieses der Gemeinde mitzutheilen und
auch nicht, auf die Einladung eine Antwort zu geben, so

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daß eine nähere Betheiligung der jenseitigen Gemeinde nicht
statt fand.
Die aufgesetzten Gegenstände werden vom hiesigen Pfarrhaus
durch 20 Jungfrauen von hier auf 2 Tragbahren unter Gesang
auf den Kirchhof gebracht, nach geschehener kirchlicher Einsegnung
hinaufgezogen und an ihrem Ort gebracht. Darauf begiebt
sich die Versammlung in die Kirche zur Danksagung gegen
Gott, der hoffentlich durch seine Gnade auch das Schlußwerk
wird ohne Unglück vollenden lassen.

Der ganze Bau, um auch dies noch zu bemerken, beträgt
da die ganze Rechnung noch nicht abgeschlossen ist,
circa 2 200 rt.

Protzan den 9ten October 1865

Gotthard Müller Pfarrer


[i] Preuß. Fuß = 12 Zoll = 31,4 cm

[ii] Gostitz ab 1936 Gostal, poln. Goscice